Was macht das Publikum am Ende?

Rundschreiben #9 | Kulturpolitik wagen! | Text: Roland Schwandner

Liebe Freund*innen,
liebe Engagierte!

Da sitzen sie alle mit ihren eleganten Hintern am Sonntagmittag zusammen und lauschen der guten Musik und dem langen Redenreigen. Es ist Brucknerfesteröffnung.

Zwischendrin tritt der Hauptredner auf die Bühne und hält SEINE Festansprache. Über die Verhältnisse im zweiten Weltkrieg, über seine schauderhafte Erfahrung im Steinbruch im ehemaligen KZ Mauthausen und über die Menschen, die von Krieg und Armut betroffen sind und aus ihren Ländern die Flucht ergreifen mussten und müssen. Ganz zum Schluss spricht er über den jungen Kanzler und die Bundesregierung. Und er spricht ganz und gar nichts Gutes.
Und was macht das Publikum am Ende dieser Festrede? Es applaudiert. Aber nicht irgendwie, sondern es schallt ein riesiger Zuspruch durchs Brucknerhaus. Nun frage ich mich: wenn dem Vernehmen nach in erster Linie das oberösterreichische Bürgertum an diesem Sonntag im Brucknerhaus saß, warum applaudierten sie einem Redner, der gerade IHREN Kanzler angegriffen hatte. Und das nicht irgendwie, sondern mit einem eindeutigen gedanklichen Verweis auf Nationalsozialismus und den zweiten Weltkrieg!

Ist das Bürgertum womöglich doch nicht mit dem Kurs der Regierung und des jungen Kanzlers, der gerade eine Rechtsaußen-Sturmfahrt auf ruhiger See inszeniert, einverstanden? Dämmert es womöglich vielen Bürgerlichen, dass die Zerstörung von zentralen Einrichtungen in der Republik, Tempo 140, das Rauchen oder ganz einfach der Hass auf alles Solidarische doch kein guter Kurs für Österreich sind? Hoffentlich!

Wer die mutige Festansprache von Daniel Kehlmann nachlesen möchte, findet sie unter folgendem https://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/Daniel-Kehlmann-Im-Steinbruch;art16,3001741

Roland Schwandner, Vorstandsvorsitzender der gfk oö