Das Ende des Möglichen

„…und man ist nicht untätig, man tut etwas, aber zu nichts. Man war von einer Sache müde, aber man ist erschöpft durch nichts.“ [1]

Seid ihr noch ermüdet oder schon erschöpft? Geht noch was oder ist das „Ende des Möglichen“ [2] erreicht? Alles ausgeschöpft? Wenn keine Pause und keine Kur mehr reicht, um aus ermüdeten Werktätigen wieder leistungsfähige Lohnarbeiter:innen zu machen, ist da immer noch Platz für Erschöpfung – immerhin eine Perspektive. Zu sarkastisch? Mag sein, aber lange nicht so zynisch wie ein patriarchalisch-kapitalistisches System, das über Jahrhunderte an der Ausbeutung, Ausrottung und Erschöpfung eines ganzen Planeten und seiner Ressourcen und Lebewesen arbeitet: “…aber den meisten ist klar, es kann nicht so weitergehen – dieses Wirtschaftssystem, das nur auf Wachstum ausgerichtet ist, es ist nicht die Zukunft.“ sagt der Musiker und Komponist Tomá Ivanov in unserem Gespräch. Künstlerin Eveline Handlbauer stellt klar, es habe sich „gezeigt, dass Kunst und Kultur immer weiter nach unten getreten werden, weil sie wohl nicht wichtig genug seien.“ Zwei Statements, die verdeutlichen, wieviel – euphemistisch ausgedrückt – Luft nach oben kulturpolitisch in diesem Land ist. Wenig Konkretes ist geblieben von Versprechungen und Hoffnungen nach einem Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung und Dotierung von Kunst, Kultur und ihren Protagonist:innen. Im Gegenteil macht sich ein zunehmend kultur-, wissenschafts- und bildungsfeindliches Klima breit in Österreich, geschuldet auch der politischen Nachgiebigkeit gegenüber einer krakeelenden Minderheit, die ihre Unsolidarität und ihren fanatisch auf sich selbst bezogenen Freiheitsbegriff fast täglich auf die Straße trägt. Wieviel mehr Geld und Zuwendung es gerade jetzt auch aus demokratie- vor allem aber kulturpolitischer Sicht bräuchte, das analysiert Thomas Philipp in seinem Text zum Projekt KULTURPOLITIK WAGEN.

Während sich die einen also hemmungslos nach vorne drängen, erschöpfen die anderen in der Unsichtbarmachung nicht allein ihrer Leistungen und Tätigkeiten: Frauen müssen immer wieder von Neuem „eine Art Subjektbeweis erbringen und um ihre Daseinsberechtigung ringen“, schreibt die Schweizer Wissenschafterin Franziska Schutzbach in DIE ERSCHÖPFUNG DER FRAUEN. Sie kommt am 22. Mai nach Linz, und präsentiert ihr Buch. Und die Berliner Kulturwissenschafterin Sarah Becker macht in ihrem Text über erschöpfende Routinen fest, dass Hausarbeit – ob auf der Bühne oder im Film oder in der Realität – offenbar weder getätigt noch betrachtet werden will – oh Wunder! Becker ist gemeinsam mit der Philosophin Aloisia Moser, den Künstlerinnen Birgit Schweiger, Leonie Reese und Olivia Schütz und den Kulturwissenschafterinnen Maren Mayer-Schwieger und Victoria Windtner auch eine der Vortragenden bei der Konferenz zum Schwerpunkt, die diesmal auf dem Minigolfplatz stattfindet. Victoria Windtner widmet sich in ihrem Text den Arbeiten des Künstlers Florian Nörl, der den Schwerpunkt in Heft #1 begleitet. Nörl fühlt sich übrigens auf Nachfrage überhaupt nicht erschöpft, ebenso wenig wie Choreograph & Tänzer Jaskaran Anand, der im Juni zu einer „night of exhaustion“ lädt.

Als belastend und erschöpfend hingegen haben vor allem junge Erwachsene die vergangenen Monate erlebt – wir haben Trainerin Veronika Natter gebeten, Jugendliche, aber auch sich selbst und Kolleg:innen zu befragen, wie sie der Erschöpfung begegnen. Auch Linzer und Linzerinnen haben ab Mai die Möglichkeit, in einer Zusammenarbeit zwischen dem Innovationshauptplatz Linz und der gfk zu erzählen, was sie erschöpft und wie sie damit umgehen.

Dazu mehr auf den kommenden Seiten und auf unserer website. Danke allen, die mit Geduld, Ideen und Vertrauen zum Magazin beigetragen haben, ebenso allen Kooperationspartner:innen und Freund:innen der gfk!

Auf bald,

Wiltrud Katherina Hackl


[1] „Erschöpft“, Gilles Deleuze in: Quadrat, Geister-Trio, … nur noch Gewölk …, Nacht und Träume, Samuel Beckett, Stücke für das Fernsehen, Suhrkamp 1996

[2] ebd