Kulturpolitik wagen! Ich möchte kein Truthahn sein …

Mai 2021. Pressekonferenz, die x-te. Wenn es das Infektionsgeschehen zulasse, dann werde man auch weitere Öffnungen andenken, stellt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Aussicht. Die Rede war von 1. Juli, das Datum sei aber „nicht in Stein gemeißelt“.

Für Veranstaltungen im Kulturbereich sind ab 19. Mai 2021 verschiedene Öffnungsschritte geplant:

  • Tragen einer FFP2-Maske;
  • Zutrittstests;
  • Registrierungspflicht;
  • Einhalten eines Zwei-Meter-Abstands;
  • Freie Sitzplätze zwischen Besucher*innengruppen;
  • Outdoor maximal 3.000 Personen, indoor maximal 1.500 Personen für behördlich genehmigte Veranstaltungen mit zugewiesenen Sitzplätzen;
  • Maximal 50%ige Auslastung von Veranstaltungsorten mit fixen Sitzplätzen;
  • Maximal 50 Personen bei Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze (indoor und outdoor);
  • Veranstaltungen ab 11 Personen sind anzeigepflichtig;
  • Veranstaltungen ab 51 Personen benötigen eine Bewilligung durch die Gesundheitsbehörde;
  • Keine Gastronomie bei Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze – ansonsten gelten die Regeln für den Gastronomiebereich;
  • Verpflichtende Erstellung eines COVID-19-Präventionskonzepts und Benennung eines COVID-19-Beauftragten;
  • Sperrstunde = 22:00 Uhr;

Eine Rechtsgrundlage liegt – so wie immer – bislang nicht vor. Aber es wird schon passen. Irgendwie. Schau ma amoi, dann seng mas scho. Nur net hudeln. Es scheint, als wäre das Wort „Planungssicherheit“ irgendwann im Jahr 2020 vom österreichischen Technokratenschimmel zu Tode geritten worden.

Wobei: Öffnung … Eigentlich müsste Österreich ja geschlossen werden. Jan Böhmermann hat das in der aktuellen Ausgabe des ZDF Magazin Royale anschaulich gezeigt. Die Folge mit dem Titel „Der Penatenkanzler & seine türkise Familie“ zeichnet die Skandale rund um die Du-bist-Familie des Kanzlers im Schnelldurchlauf nach: „Hä? So ein Quatsch! Das würde man ja merken, wenn Stück für Stück der Rechtsstaat zerfällt, jeden Tag ein kleines bisschen mehr.“ Der Moment, an dem Satire zur Dokumentation wird, lässt einen erstarren. Irgendwie erinnert alles ein wenig an den induktivistischen Truthahn bei Bertrand Russell. Dieser fand an seinem ersten Morgen auf dem Bauernhof heraus, dass er um 9 Uhr morgens gefüttert wird. Gleichzeitig zog er, als guter Induktivist, daraus zunächst noch keine voreiligen Schlüsse. Er wartete, bis er eine große Anzahl an Beobachtungen von täglichen 9-Uhr-Fütterungen gesammelt hatte, an verschiedenen Wochentagen, an warmen und kalten, an regnerischen und sonnigen Tagen. Er kam zu dem Schluss: „Ich werde jeden Tag um 9 Uhr morgens gefüttert.“, und ward beruhigt. Leider stellte sich diese Schlussfolgerung am Heiligabend als falsch heraus. Er landete auf dem gedeckten Weihnachtstisch.

Der Truthahn und sein falsches Denken werden uns sicher nicht retten. Böhmermann und seine scharfe Zunge wohl auch nicht. Es wird an uns selbst liegen, genügend oppositionelle Kräfte zu bündeln und den sebastianischen Popanz zu beenden. Je früher desto besser.

Sebastian Kurz – der Penatenkanzler & seine türkise Familie, ZDF Magazin Royale, 7. Mai 2021, https://www.youtube.com/watch?v=b8ghF63cL3g