Fair Pay und faire Prozesse

von Gerda Forstner

„Fair Pay“ fand 2020 erstmals Eingang in das Programm einer österreichischen Bundesregierung, indem das Ziel der „Entwicklung einer gemeinsamen Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden zur Umsetzung der Kulturstrategie Fair Pay“ festgeschrieben wurde. Fast zehn Jahre zuvor lancierte die IG Kultur u. a. gemeinsam mit der KUPF OÖ bereits die Kampagne „Fair Pay für Kulturarbeit: Kultur muss sich lohnen“, um auf den „hohen gesellschaftlichen Nutzen und das höchstprekäre Standing von freier Kulturarbeit“ hinzuweisen.

Bedurfte es schlussendlich einer Pandemie, die wie das schon oft bemühte Bild eines „Brennglases“ auf gesellschaftliche Defizite wirkt und somit die besonders prekäre Situation von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen in Österreich der Politik vergrößert sichtbar machte?

Fairness-Prozess

Als eine Reaktion auf die Corona-Krise begründete Staatssekretärin Andrea Mayer den im Herbst 2020 in Form einer Bund-Länder-Kooperation unter Einbeziehung von Interessensgemeinschaften im Kunst- und Kulturbereich gestarteten „Fairness Prozess“ – denn diese Pandemie habe „das künstlerische und kulturelle Leben in Österreich in ungeahntem Ausmaß erschüttert. Dadurch sind Bruchlinien in Kunst und Kultur sichtbar geworden, die bereits vor Eintreten der Krise bestanden, aber durch die Krise verstärkt wurden.“ (https://www.bmkoes.gv.at/Kunst-und-Kultur/Fairness.html) So ist es eingangs dem Zwischenbericht dieses Prozesses zu entnehmen, der im Zuge eines internationalen „Fairness Symposiums“ des Ministeriums Ende September 2021 in Wien präsentiert wurde.

Dieser Prozess widmet sich – wie mehrfach kritisiert wurde – nicht ausschließlich der Verankerung fairer Bezahlung für Kunst- und Kulturschaffende, sondern definiert auch die Arbeitsfelder „Transparenz & Kooperation“ und „Diversität“ für mehr Fairness im Kunst- und Kulturbetrieb. Weiters sollen soziale und rechtliche Rahmenbedingungen zu einer Verbesserung der Absicherung von Künstler*innen beitragen, wie es beispielsweise beim Theaterarbeitsgesetz oder der Urheberrechts-Novelle 2021 erst noch gelingen muss. Nach dem niederländischen Vorbild, dem „Fair Practice Code“, wird zur Förderung eines respektvollen Miteinanders ein österreichischer Fairness-Codex erstellt. Dieser soll, basierend auf den von einer Fokusgruppe identifizierten Werten Nachhaltigkeit, Vielfalt, Respekt und Transparenz bald im Erstentwurf vorliegen.

Der sechste Schwerpunkt ist im Fairness-Prozess des Bundes und der Länder das Förderwesen, das natürlich eine Schlüsselrolle in der Umsetzung von Fair Pay einnimmt. „Denn nur eine faire Förderpraxis führt zu fairer Bezahlung“ – so ein Leitsatz im Manifest „Fair Pay für Kulturarbeit“ der IG Kultur, das beim Internationalen Fairness-Symposium im September 2021 präsentiert wurde (https://igkultur.at/sites/default/files/posts/downloads/2021-09-30/Manifest.pdf). Der Fairness-Zwischenbericht informiert, dass Bund und Bundesländer erstmals gemeinsame Kriterien zur Vergabe von Mehrjahresverträgen erarbeitet haben. Er verweist auch auf Maßnahmen in den Bundesländern. Aus Oberösterreich finden sich zwei darin: das neue Kulturleitbild des Landes OÖ im Kapitel „Soziale & rechtliche Rahmenbedingungen“ und als Bekenntnis zu Transparenz und Kooperation das neue Projektförderprogramm „EXTRA 2021“, das in Kooperation mit der KUPF OÖ entwickelt wurde und biennal mit öffentlicher Jurysitzung durchgeführt wird.

Fair-Pay-Gap und erste Schritte

Ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu Fair Pay ist eine Datenerhebung, die den Unterschied zwischen tatsächlicher Bezahlung und angemessenen Gehalts- bzw. Honorarempfehlungen aufzeigt – wie sie der Kulturrat Österreich in dem sehr umfangreichen und gelungenen Kompendium „Fair Pay Reader“ für alle Genres darstellt (https://www.kulturrat.at). Im Auftrag des Ministeriums führte das Gallup-Institut heuer österreichweit eine Erhebung zum Fair Pay Gap durch. Die Ergebnisse wurden für Anfang 2022 angekündigt.

Das Land Salzburg leistet seit letztem Jahr österreichische Fair-Pay-Pionierarbeit. Der Dachverband Salzburger Kulturstätten errechnete 2020 die Summe von 2,35 Millionen Euro, die fehlt, um die angestellten Kulturarbeiter*innen in den Mitgliedsvereinen fair zu bezahlen. Die „Fair Pay Gap“-Erhebung der Kulturabteilung des Landes Salzburg im Zuge der Verlängerung von mittelfristigen Fördervereinbarungen ergab eine etwas höhere Summe. Für heuer wurde von Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn ein Budget in der Höhe von 450.000 Euro rückgestellt, bis 2024 wird in Salzburg eine Million Euro für Fair Pay zur Verfügung stehen. Die beiden anderen Förderebenen – Bund und Gemeinden – sollen für eine Beteiligung gewonnen werden. Die mittelfristigen Förderverträge mussten adaptiert werden, um eine anderweitige Verwendung der Fair-Pay-Zusatzmittel zu verhindern. Die Anhebung der Subventionen zur Schließung des Fair Pay Gap wird stufenweise erfolgen. Das mit der IG Kultur erarbeitete „Salzburger“ Modell sieht vor, in einer ersten Etappe die Gehälter und Honorare auf ein Niveau von 70% zu heben und innerhalb von fünf Jahren die 100% einer fairen Bezahlung zu erreichen.

Wien hat heuer als Fair-Pay-Maßnahme im Rahmen der Konzeptförderungen von 2022 bis 2025 die Subventionen für freie Gruppe und Institutionen erhöht, um u. a. die Einhaltung der Honoraruntergrenze in diesen Initiativen zu ermöglichen. Im gerade veröffentlichten Arbeitsprogramm der neuen Grazer Stadtregierung findet sich der Punkt „Schritte zu Fair Pay im Kulturbereich“, aber auch die Öffnung der Grazer Spielstätten und die Prüfung der Öffnung städtischer Immobilien für die freie Szene. Angesichts der hohen Summen an öffentlichen Geldern, die in Errichtung, Ausbau, Wartung und Betrieb von Kulturinfrastruktur fließen, ein relevanter Aspekt, den auch Marijke Hoogenboom in ihrem bemerkenswerten Vortrag bei besagtem Symposium mit „Fair Share“ in die Debatte einbrachte. Nach Überführung zahlreicher Kulturstätten in GesmbHs ein noch schwierigeres Unterfangen, sind doch die Geschäftsführungen per Gesetz zur Einnahmenorientierung verpflichtet und die Gebietskörperschaften müssen ihre eigenen Unternehmen für politisch gewollte, aber nicht kostendeckende Nutzungen subventionieren. Hier eröffnet sich ein neues Diskussionsfeld.

Nächste Schritte, wieder ohne Gemeinden und Städte

Aber zurück zum Fairness-Prozess des Bundes und zusammenfassend die für das bevorstehende Jahr angekündigten nächsten Schritte: Bereits zu Jahresbeginn sollen sowohl Ergebnisse der Gallup-Befragung zum Fair Pay Gap als auch die Formulierung eines Fairness-Codex präsentiert werden. Darauf basierend startet 2022 die „Fokusgruppe Fair Pay“, bestehend aus Vertreter*innen der Bundesländer, des Bundes und der Interessengemeinschaften, damit, eine Fair-Pay-Strategie für Kunst und Kultur in Österreich auszuarbeiten. Denn Fairness heißt ja insbesondere auch, gemeinsame Prozesse, in die alle Beteiligten eingebunden werden.

Aber Hoppala! Fehlt da nicht jemand? Im Regierungsprogramm steht doch eine gemeinsame Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden zu entwickeln. Die Fair-Pay-Strategie ist jedoch eine Bund-Länder-Kooperation, Gemeinden und Städte sind in den genannten Fokusgruppen nicht vertreten. Warum eigentlich nicht? Das haben sich Landeshauptstädte und der Städtebund anlässlich des Symposiums und der Präsentation des Zwischenberichts im September auch gefragt. Der Bund argumentierte, dass für ihn die per Verfassung für Kultur zuständigen Länder die relevanten Partner sind und die Einbindung von Gemeinden den Prozess sprengen würde. Die Länder stünden ohnehin mit ihren Gemeinden im Austausch.

Eine wichtige Voraussetzung für Fair Pay ist aber die Einbindung aller Förderebenen. Das mittlerweile langjährige Engagement der gfk OÖ mit der Initiative „Kulturpolitik wagen“ zeigt, wie wichtig es ist, Kulturakteur*innen und Kulturpolitiker*innen auch auf Gemeindeebene zu vernetzen, um schwierige kulturpolitische Herausforderungen vor Ort zu meistern. Eine faire und gemeinsame Entwicklung einer Fair-Pay-Strategie für Österreich braucht daher die Einbindung aller Förderebenen, auch die der Gemeinden. Dort findet Kulturarbeit statt.