„Man müsste vieles sofort stoppen“

Johannes Steininger im Gespräch über DANACH mit Wiltrud Hackl
Foto (c) Reinhard Winkler

WKH      Johannes, der Werkstoff, den Du verwendest, ist mit allen möglichen Zuschreibungen aufgeladen, über die wir noch sprechen werden – was ist „Kunststoff“ für Dich?

JS           Kunststoff war immer im Alltag präsent, allerdings habe ich in jungen Jahren eigentlich nie oder eher wenig künstlerisch damit Berührung gehabt. Bis Berlin, als ich die Aufnahmeprüfung an der Hochschule der Künste gemacht hab: ich wollte die spezifische Resonanz der Stadt, mit einem aufgeblasenen Luftballon abbilden, mit dem bin ich durch die Stadt spaziert. Daraus haben sich dann Objekte aus weich-PVC entwickelt, ich habe im Handel Folien organisiert, sie mit verschiedenen Heiß-Lötkolben miteinander verschweißt und konstruiert.

WKH      Wie du das Material jetzt verwendest, bekommt es etwa Gestisches, Malerisches, vielleicht auch, weil Du den Kunststoff schichtweise aufträgst…

„Ich sammle an Stränden Plastik auf“

JS           Diese Spannung gefällt mir – eine sogenannte Crossover Strategie zwischen Bild und Skulptur, mehrfach geschichtet. Als ein gegenwartsbezogenes Materialbild, sozusagen; ein aus dem Material „Luft“ und Kunststoff geschaffenes Werk. Die beiden ästhetischen Materialien in Beziehung zu bringen, zu verschmelzen und in eine weitere Dimension in den Raum zu bringen.

WKH      Da sind wir bereits bei den Aufladungen von Kunststoff & Plastik – auf der einen Seite bedeutete Kunststoff eine kleine Revolution und hat viel von Zukunft erzählt – plötzlich war es möglich, wertvolle Dinge zu imitieren, Verbrauchsgegenstände wurden quasi demokratisiert, wie Roland Barthes es erwähnt. Auf der anderen Seite – wenn man auf die verschmutzten Meere blickt, ist es das Gegenteil von Zukunft. Wie gehst du mit diesem Dilemma um?

JS           Das ist ein wichtiger Punkt für mich. Ich sammle auch unter dem Umweltaspekt an Stränden Plastik oder Kunststoff zielgerichtet auf. Wenn man mal knöcheltief im Kunststoffmüll steht, wie an den Stränden, erkennt man das Ausmaß der Verschmutzung –

WKH      Viele Menschen entwickeln aktuell Ängste davor, wie eine Corona Impfung ihre Körper beeinflussen könnte, aber dass uns Plastik längst durchdringt, scheint vielen egal zu sein. Wir werden Plastik und Plastik wird zu uns – es dringt in die Böden, in die Tiere, das Wasser. Denkst Du, das ist uns bewusst?

„Wir leben im Plastic Age“

JS           Ich denke, es wird uns langsam bewusst, die Menge der Vergiftung der Meere und das Vermüllen am Land, auch die ausströmenden Weichmacher (Phthalate, Anm. JS) sind ein hohes Gesundheitsrisiko, ein Eindringen in den menschlichen Körper muss verhindert werden – wir müssen das bestehende Kunststoffproblem der Meere unbedingt rasch in den Griff kriegen.

WKH      Mir kommt vor, wir blenden das so aus.

JS           Wir leben sozusagen direkt im Kunststoffzeitalter -in „The Plastic AGE“, nach Bronzezeit, Eisenzeit, eine bestimmende Materialästhetik, und für meine künstlerische zeitgenössische Arbeit ein Geschenk. Aber wenn es in Nahrungskreisläufe eindringt und schädlich wird, dann ist das kein Vorteil mehr für die Menschheit. Und so beschäftige ich mich mit Danach. Das wäre halt eine direkte gesellschaftspolitische wichtige Entscheidung, die zu fällen wäre, etwa: wie kann es dann überhaupt wiederverwertet werden? Nun geht man letztendlich auch im Verpackungsbereich wieder zurück zu natürlichen Ausgangsstoffen, wie u.a. Maisstärke etc.

WKH      Aber wie absurd ist das? Wir imitieren jetzt mit natürlichen Ausgangsstoffen künstliches Material wie Plastik?

JS           Absolut. Das ist absurd

WKH      Denkst Du, wir kommen weg vom Kunststoff?

JS           Man müsste vieles sofort stoppen und gezielter sensibilisieren und Systeme nachschärfen. Nicht überall braucht es Kunststoff und es bräuchte eine kluge sortenreine Recycling Lösung, Kunststoff unbedingt ja, aber wie gesagt soweit sortenrein, damit es in der Wertschöpfungskette, hochwertig recycelt werden kann, zum Beispiel. Was heißt das für #Danach – wenn wir vieles eingesammelt haben, die Meere halbwegs wieder sauber… da gibt es ja riesige Inseln mittlerweile, und zusätzlich das ganze Mikroplastik… „The Great Pacific Garbage Patch“.

WKH      Aber das bedeutet, #Danach ist für dich konkret, vielleicht ein Ort sogar?

JS           Ja, es ist eine Utopie – ich denke, dass wir das technisch vieles gut lösen können. Die Politik müsste halt auch diese Ideen, die es ja bereits gibt, mit denen wir die Meere reinigen können oder auch Verbesserungen in der Industrie zum Beispiel machen könnten, gut mit seiner Transparenz fördern. Das wird uns stark beschäftigen, #danach werden wir uns drauf besinnen, was Lebensqualität bedeutet – sauberes Wasser, saubere Meere und auf technische Lösungsorientiertheit.

WKH      Das ist spannend, weil ich hab #Danach in Bezug auf deine Arbeit anders gesehen – eher auf die Ästhetik bezogen – mich haben deine Blasen interessiert und an #Danach erinnert. Im Danach spiegelt man sich womöglich nur noch selbst, wie in einer Blase eben. Die konkrete Utopie käme erst nach diesem Danach, also in meiner Vorstellung müsste man das Danach erst überwinden.

JS           Kann ich nachvollziehen, aber ich darf in Gedanken positiv agieren und im Sinne einer veränderten Einstellung. Wir werden das technisch gut hinkriegen. Aber es gibt Abstriche.

JOHANNES STEININGER
*1977 / Linz, ist Raum- und Designstratege, Objektkünstler, Klang- und Geräuschberater und Designer. Arbeiten waren im vergangenen Jahr u.a. in der Sonderausstellung „Kultur braucht Kunst“ im Schlossmuseum Linz und bei UNTITLED in der Kunstsammlung Linz zu sehen. Im Frühjahr 2021 werden die soft sculptures in der 44er Galerie in Leonding gezeigt. Seine Arbeiten, fotografiert von REINHARD WINKLER, formulieren die künstlerischen Statements der Ausgabe unseres Magazins #1 zum Jahresschwerpunkt DANACH.

Mehr über und von Johannes Steininger ist auf seiner website und seinem Instagram Account zu finden: www.johannessteininger.at  @steininger_johannes_m.a._m_a

WILTRUD KATHERINA HACKL
ist Geschäftsführerin der oö. Gesellschaft für Kulturpolitik, Autorin und forscht im Rahmen ihres kulturwissenschaftlichen PhDs an der Kunstuniversität Linz zu Weiblichkeits- und Wasserkonstruktionen. Der Schwerpunkt DANACH im Rahmen ihrer Tätigkeit für die gfk wird unter anderem im gfk Magazin #1 aus unterschiedlichen Perspektiven von Autor*innen wie Christina Gruber, Elisabeth Rosenmayr, Sebastian Janata, Martina Resch oder Markus Reindl behandelt. Zu bestellen unter: info@gfk-ooe.at